Frei sein wie ein Vogel, frei in der Luft herumzufliegen, mit dem Wind spielend. Über alle Grenzen hinweg, immer nur dem eigenen Schnabel nach, so stelle ich mir Freiheit vor.
Ich war gerade ein paar Tage allein unterwegs und hatte keinerlei Verpflichtungen. Ich war frei. Keine Termine, keine alltäglichen Pflichten wie Einkaufen, einfach nur das tun, was ich in jedem Moment brauchte oder wollte. Genau das essen, worauf ich Appetit hatte, und zwar dann, wenn ich es wollte. Nicht, weil gerade Mittagszeit und gerade Zeit dazu war.
Mir haben diese drei Tage sehr gutgetan. Als ich dann wieder nach Hause kam, fühlte ich mich recht schnell wieder unfrei. So sehr ich meinen Mann und meine Hündin auch liebe, jeder von ihnen hat ganz eigene Bedürfnisse, die ich mit ihnen abstimmen möchte. Meine Urlaubswäsche war zu waschen und einige organisatorische Dinge zu klären: Welche Termine haben wir die nächsten Tage, wer kümmert sich wann um was?
Da frage ich mich: Kann ich nur frei sein, wenn ich allein bin? Was ist Freiheit eigentlich?
Zuerst ist mir klar geworden, dass es absolute Freiheit nicht gibt. Auch der Flug eines Vogels ist abhängig vom Wetter. Ob die Sonne scheint, Regen fällt oder ein Sturm über das Land braust. Auch er muss sich um Futter kümmern und ist aerodynamischen Regeln unterworfen, ebenso den Grenzen seiner Kraft und vielleicht sogar möglichen Feinden, denen er ausweichen muss.
Klar, im Urlaub fallen viele Pflichten weg, das ist natürlich der Sinn des Urlaubs. Kein Putzen, kein Arbeiten, keine Termine. Aber ich konnte auch nur deswegen so frei sein, weil sich jemand anders, also mein Mann, um unseren Hund gekümmert hat, den ich gar nicht hätte mitnehmen können.
Da wurde mir wieder bewusst, was Freiheit für mich bedeutet: Die Freiheit wählen zu können, wo und wie ich lebe,
Gerade in diesen Tagen mit dem Krieg in der Ukraine ist mir wieder einmal bewusst geworden, in was für einem freien Lang wir leben (bei all den Schattenseiten, die es auch hat). Ich kann heiraten, wen ich will, kann mich scheiden lassen, wenn ich möchte, ich kann arbeiten und – das wird mir gerade noch mal bewusst – ich kann schreiben! Schreiben ist für mich Freiheit. Freiheit mich ausdrücken zu können, und zwar so, wie ich es will und kann.
Doch bei aller Freiheit: Ich bin immer auch abhängig von anderen Menschen. Wenn ich etwas essen möchte, bin ich von anderen abhängig, dass die es herstellen oder verkaufen. Auch wenn ich mich selbst versorgen würde, bräuchte ich Kleidung oder Arbeitsgeräte. Ich kann nicht alles machen und erst recht nicht alles gleich gut.
Ist Freiheit also eine Illusion? Kann ich frei sein, nur ohne Verbindlichkeiten oder Struktur?
In dem Film „Into the wild“ verließ ein privilegierter junger Mann sein Zuhause und seine Familie, um sich von allen Zwängen zu befreien. Er wollte in Alaska im Wald leben, verbrannte sein Geld und sogar seinen Ausweis, um sich von allem zu befreien.
Doch es wird schnell klar: Er kann nur frei sein, weil andere ein Auto haben, bei dem er mitfahren kann. Weil sie eine Arbeit haben, mit der sie in Haus bezahlen können, in dem er übernachten kann. Weil sie arbeiten und Geld haben, können sie ihn zum Essen einladen. Und auch er ist gelegentlich gezwungen zu arbeiten, um Geld zu bekommen, mit dem er Essen oder Fortbewegung bezahlen kann.
Doch er folgt seinem Ruf (vielleicht ist es auch eine Flucht vor seinen Eltern) und erlebt viele Abenteuer, schöne Begegnungen, aber auch die Konfrontation mit dem Gesetz, denn ohne seinen Ausweis stößt er an reale Grenzen.
Letztlich stirbt er in der Wildnis, weil er giftige Kräuter ist, mit denen er sich nicht auskannte.
Aber er war frei. Frei in seinen Entscheidungen, welchen Weg er einschlägt.
Ich habe mir mein Leben so gewählt, wie ich es wollte. Wenn ich es anders wollte, könnte ich es jederzeit auch wieder ändern (auch wenn ich dann vielleicht einen „Preis“ dafür zahlen müsste).
Vielleicht ist es das, was Freiheit bedeutet. Zu entscheiden, welchen Regeln ich folgen möchte. Jede Gesellschaft, jeder Stamm hat Regeln. Auch die Natur hat Gesetze, die man befolgen muss, wenn man überleben möchte. So unterschiedlich und sinnvoll sie auch sein mögen. Ich bin jederzeit frei, etwas anders zu gestalten. Im Rahmen meiner Möglichkeiten: Ich könnte jederzeit anfangen, Ballett zu lernen, aber für eine Weltkarriere als Ballerina bin ich dann doch zu alt.
Vielleicht geht es genau darum, sich auch in Strukturen der eigenen Entscheidungsmöglichkeiten bewusst zu werden. Denn ich riskiere nicht mein Leben, meine körperliche und seelische Gesundheit, wenn ich auf die Straße rausgehe. Wenn ich als Frau oder als Mann anziehen kann, was ich will, ohne dafür belästigt, verprügelt oder gar getötet zu werden.
Ich werde also darauf achten, welche Freiheit mir in meiner Alltagsstruktur möglich ist. Und doch gelegentlich mich diesem Alltag entziehen und für ein paar Stunden oder Tage mich der Freiheit des Alleinseins hinzugeben: Nur meinen eigenen inneren Impulsen zu folgen. Und mich daran zu erinnern, wer ich wirklich bin.