Im Januar vor vier Jahren hatte ich mein Jahr Krebstherapie hinter mir und ich dachte: Yeah! Neues Jahr, neues Glück, jetzt kann es ja wieder losgehen! Doch leider ging das nicht so einfach. Daran musste ich denken, als der Lockdown verlängert wurde, eine Erleichterung also erstmal nicht in Sicht ist.
Damals hatte das Jahr mit Chemo und Bestrahlung sehr an meinen Kräften gezehrt. Meine Konzentration hatte gelitten, Treppensteigen war auf einmal beinahe schmerzhaft anstrengend. Ich hoffte, dass nach der Reha alles wieder wie vorher sein würde. Aber das war es nicht. Ich hatte nicht einfach wieder mehr Energie und Kraft. Auch wenn ich Sport gemacht habe, so hat es doch fast ein Jahr gedauert, bis ich wieder das Gefühl hatte, wieder nahezu so fit zu sein wie zuvor.
Kleine Schritte machen und wertschätzen
Das Schwierige war: Ich wusste nicht, wie lange es dauert, bis ich wieder Treppen steigen kann, ohne dass mir die Beine wehtun. Ich konnte nur von Tag zu Tag gut für mich sorgen. Mir die Zeit gönnen, die ich brauche, um mich zu erholen.
Ich lernte unfreiwillig die kleinen Dinge zu schätzen: Ich konnte zwar keine großen Ausflüge machen, aber immerhin konnte ich mich im Kiez auf eine Wiese setzen, um dort mit meinem Hund zu spielen. Ich musste mich an die Worte „noch nicht“ gewöhnen, es ging einfach nicht anders, so gerne ich es auch gewollt hätte.
Der Januar lehrt uns zu warten
Der Monat Januar ist für mich der symbolische Zeitraum für Geduld. Weihnachten ist vorbei, Silvester ist vorbei, jetzt im Januar passiert noch nichts: In der Natur ändert sich noch nichts, zumindest nichts, was wir sehen können.
Auch wenn seit einigen Wochen rein zeitlich gesehen die Tage wieder länger werden, so merken wir das kaum. Erst in ein paar Wochen wird es besser, der wir nehmen wahr, dass die Tage wieder etwas länger werden. Die ersten Krokusse kommen raus und all die anderen Frühblüher kündigen an, dass es wirklich heller und wärmer wird, egal, ob da nochmal ein Kälteeinbruch kommt oder nicht.
Wir können nur abwarten. Und darauf vertrauen, dass sich etwas ändern wird. Manchmal sogar ohne unser Zutun. So wie der Frühling auf jeden Fall kommen wird.
Hinter der Ungeduld steckt die Angst
Aber ich will! stampft da mein inneres Kind ungeduldig mit den Füßen auf den Boden. Ich will, ich will, ich will! Mein Herz sehnt sich danach, wieder draußen sitzen zu können und Geselligkeit zu leben. Da das nicht geht, müssen wir einfach Geduld haben? Das ist leichter gesagt als getan. Der Appell „Jetzt entspann dich doch mal, du musst einfach Geduld haben“ hilft selten wirklich weiter.
Was mir geholfen hat, war ein Satz, von dem ich leider nicht mehr weiß, wer ihn gesagt hat. Ungeduld ist die Angst davor, dass etwas nicht kommt. Das bedeutet, dass es gar nicht um Ungeduld geht, sondern um die Angst, die darunter liegt. Die Lösung ist dann zwar oberflächlich gesehen Geduld, aber eigentlich geht es um das Vertrauen, dass die Dinge schon werden. Dass die Kraft wieder kommt. Dass das „alte“ Leben wieder kommt.
Falls das alte Leben nicht wiederkommen sollte, dass wir es schaffen, ein „neues“ Leben so zu gestalten. Das andere, aber auch schöne Seiten mit sich bringen wird.
Unsicherheit aushalten
Vielleicht ändern sich die Dinge auch, ohne dass Du dafür aktiv kämpfen musst. Vielleicht regelt das Leben das einfach ohne Dich? Manchmal kannst Du die aktuelle Situation einfach nicht ändern. Dann bedeutet das vielleicht, dass Du erstmal abwarten musst. In der Zeit kannst Du schauen, was ist jetzt gerade möglich?
Du kannst auch Pläne machen, aber plane die Unsicherheit mit ein. Ich habe jetzt schon eine Woche im Juni auf unserem Lieblingscampinglatz gebucht, auch wenn ich gar nicht weiß, ob das dann möglich ist. Falls Reisen dann nicht erlaubt sein sollte, dann kann ich immer noch umdenken. Das habe ich bei der Buchung schon bedacht.
Kontrolle ist eine Illusion
Das, was gerade weltweit passiert, ist nur ein weiteres Zeichen dafür, dass Kontrolle eine Illusion ist. Ja, Du kannst Ziele aufstellen, Pläne machen und Dein Leben so gestalten, wie Du es Dir wünschst. Aber es wird immer einen Teil geben, auf den Du keinen Einfluss hast. Das Schwierige ist, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Lass Dich von der Unsicherheit nicht „einfrieren“, sondern beziehe sie in Dein Leben mit ein. Unsicherheit ist das Nichtwissen, was passiert. Man könnte es auch Spannung nennen, und das ist wiederum ein Teil von Abenteuern.
Und vielleicht gelingt es Dir, zumindest in kurzen Momenten, in der Unsicherheit all die Möglichkeiten zu sehen, die das Leben Dir bietet.